Viele Anlegerinnen und Anleger wünschen sich bei ihrer nachhaltigen Geldanlage insbesondere den Verzicht auf Tierversuche.[1] Doch tatsächlich ausschließlich in tierversuchsfreie Unternehmen zu investieren, enthält zahlreiche Herausforderungen.

Laut einer Umfrage des Vergleichsportal-Betreibers Verivox zählt für viele Menschen der Verzicht auf Tierversuche bei der nachhaltigen Geldanlage zu den wichtigsten Kriterien.1 Und tatsächlich finden sich viele Fonds, die ein entsprechendes Ausschlusskriterien anführen. Finanzprodukte zu finden, die tatsächlich ausschließlich in tierversuchsfreie Unternehmen investieren, ist jedoch schwieriger, als es zunächst scheinen mag. 

Zunächst handelt es sich beim Phänomen Tierversuche nicht, wie die geringe Präsenz des Themas in öffentlichen Debatten nahelegen könnte, um eine im Verschwinden begriffene Randerscheinung. Ganz im Gegenteil: Täglich werden an sehr vielen Orten der Welt Experimente mit Tieren durchgeführt. Exemplarisch zeigt ein Blick in die schweizerischen Statistiken, auf welch stabilem Niveau sich die Anzahl der jährlich eingesetzten Versuchstiere eingependelt hat. Ein Abwärtstrend ist bislang nicht ersichtlich. In der Schweiz berichtet das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) Daten zu Tierversuchen.2 Demnach sind 2021 insgesamt 574.673 Versuchstiere eingesetzt worden, darunter 88.100 in der Industrie. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem leichten Zuwachs (+3.3%).

Das Ausschlusskriterium Tierversuche bei der nachhaltigen Geldanlage

Was lässt sich nun aus den Statistiken für das tierversuchsfreie Investment lernen? Wird zum Beispiel die Datenbank zum FNG-Nachhaltigkeitsprofil herangezogen, ergibt die aktuelle Abfrage nach dem Kriterium Tierversuche unter den 627 Fonds genau 258 Treffer. Bedeutet dies nun, dass diese 258 Fonds ausschließlich in Unternehmen investiert sind, die nicht mit Tierversuchen in Zusammenhang stehen?  Um dieser Frage auf den Grund gehen zu können, reichen die Informationen aus dem FNG-Nachhaltigkeitsprofil nicht aus. Vielmehr muss eine Ebene tiefer angesetzt werden: Nämlich bei den Nachhaltigkeits-Leitlinien der Anbieter, wo die Kriterien genauer definiert sind. 

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass fast alle untersuchten Anbieter (notwendige) medizinische oder biomedizinische Forschung an Tieren explizit von den Ausschlusskriterien ausnehmen. Ausnahmslos alle Formulierungen sind so weit gefasst, dass Gegenteiliges zumindest nicht zwingend unterstellt werden kann. Damit ist festzustellen, dass die Mehrzahl der Tierversuche nicht ausgeschlossen ist, weil diese statistisch betrachtet vor allem auf die Forschung und insbesondere die Grundlagenforschung entfällt. Besonders ins Auge sticht, dass gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche fast durchweg erwähnt und Unternehmen, die diese vornehmen, nicht ausgeschlossen werden. 

Mit dem im Dezember 2022 von Präsident Joe Biden unterzeichneten FDA Modernization Act 2.0 sind zudem auf der anderen Seite des Atlantiks ganz generell Methoden, die Tierversuche ersetzen können, gestärkt worden. FDA steht für „Federal Food, Drug, and Cosmetics Act“, also einem landesweit geltenden US-amerikanischen Gesetz zu Lebensmitteln, Arzneimitteln und Kosmetika, das auch regelt, wann Tierversuche vorgeschrieben sind.3

Als Grund, der diese Gesetzesänderung erforderlich gemacht hat, werden Fortschritte in der Wissenschaft bezüglich der Alternativmethoden angeführt, die zudem unter anderem versprechen, kostengünstiger zu sein. Zweifellos ist der FDA Modernization Act 2.0 für den Tierschutz ein Erfolg – wenn auch Änderungen nicht über Nacht zu erwarten sind, wie berichtet wird.4

Fazit

Auch wenn es mit Blick auf Tierversuche nach wie vor tragische Dilemmata geben mag – wie es die einflussreiche zeitgenössische Philosophin Martha Nussbaum in ihrem Buch „Gerechtigkeit für Tiere. Unsere kollektive Verantwortung“ ausdrückt5 – spricht ein erdrückendes Ausmaß an Belegen dafür, dass wir weit hinter unseren Möglichkeiten bleiben, Tierversuche dort, wo es möglich ist und zudem vielmals bessere und zugleich kostengünstigere Lösungen für den Menschen zu ermöglichen verspricht, durch alternative Methoden zu ersetzen.

Die Wissenschaft kann hierzu ihre Forschung forcieren und alte Dogmen aktiv hinterfragen. Die Politik kann und sollte sich mit einer quantitativ glaubwürdigen Forschungsförderung und weiteren regulatorischen Maßnahmen einbringen. Unternehmen können im Hinblick Tierversuche, die über gesetzliche Anforderungen hinausgehen, transparenter werden und sich auch in der Kooperation mit der Wissenschaft für alternative Methoden einsetzen. Und Investoren schließlich können ihre Möglichkeiten stärker nutzen, die sich ihnen bieten sowohl im Rahmen der Anlageentscheidung als auch dann, wenn sich nach umsichtiger Abwägung zu einem Investment entschlossen haben.

Aktuell scheint es häufig Praxis zu sein, dass Fonds mit dem Ausschlusskriterium Tierversuche faktisch in Unternehmen investiert sind, die potenziell im Rahmen der Grundlagenforschung über gesetzliche Anforderungen hinaus Tierversuche unterstützen. Eine Welt ohne Tierversuche, wie sie auch das eng mit dem 3R-Konzept verknüpfte Nuffield Council on Bioethics als letztliches Ziel angibt,6 ist jedoch möglich. Lösungen, die sich hierfür bieten, sollten verstärkt ergriffen und aktiv weiterentwickelt werden. Dabei sollte potenzieller Gegenwind, auch von einer milliardenschweren Tierversuchs-Industrie,7 die an tierversuchsfreien Methoden natürlicherweise wenig Interesse hat, nicht unterschätzt werden.

Fußnoten:

1 Laut Verivox ist die Umfrage repräsentativ. Zu Tierversuchen heißt es: „Nach drei Kriterien gefragt, die ihnen bei einer nachhaltigen Geldanlage besonders wichtig sind, nannten 39 Prozent der Umfrageteilnehmer den Verzicht auf Tierversuche. Faire Produktionsstandards rangieren knapp dahinter – der Verzicht auf ausbeuterische und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen wurde von 38 Prozent der Befragten als eines der drei wichtigsten Nachhaltigkeitskriterien genannt. Vgl. Nachhaltige Geldanlagen: Tierwohl ist den Deutschen wichtiger als Klima- und Umweltschutz.  

2 Alle Ausführungen zu Tierversuchen in der Schweiz (inklusive Grafik) sind der Tierversuchsstatistik 2021 des BLV entnommen. 

3 Vgl. FDA Modernization Act 2.0 allows for alternatives to animal testing  und Animal testing no longer required for drug approval. But high-tech substitutes aren't ready.

4 Ebenda.

5 Vgl. Gerechtigkeit für Tiere. Unsere kollektive Verantwortung von Martha Nussbaum, erschienen 2022 im wbg Theis Verlag, Seite 212f. und Seite 219.

6 So heißt es in der Publikation The ethics of research involving animals von 2005 (Seite XIX) unter der Überschrift “Desirability of a world without animal research“: “All research licensed in the UK under the Animal (Scientific Procedures) Act 1986 (A(SP)A) has the potential to cause pain, suffering, distress or lasting harm to the animals used. Most animals are killed at the end of experiments. A world in which the important benefits of such research could be achieved without causing pain, suffering, distress, lasting harm or death to animals involved in research must be the ultimate goal.”

7 Vgl. Pro und Contra Tierversuche. Lukratives Geschäft.

Anlageprodukte:

Ethius Global Impact (DE000A2QCXY8 / DE000A2QCXZ5 / DE000A2QCX03 / DE000A2QCX11)

Die Ethius Invest Schweiz ist ein ethisch-nachhaltiger Vermögensverwalter und Initiator des Ethius Global Impact Fonds. Die Anlagephilosophie verfolgt das Prinzip eines konsequenten Nachhaltigkeitsansatzes. Der Nachhaltigkeitsanspruch stellt keine Ergänzung, sondern den Grundgedanken des Unternehmens dar.

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