Die Anleihemärkte sind im Vorjahr deutlich gestiegen. Laut Fondsmanager Per Wehrmann können dadurch Staatsanleihen ihre Funktion als „sichere Häfen“ wieder besser erfüllen. Auch Unternehmensanleihen aus dem Hochzinsanleihen-Segment sieht er positiv.

  • Die Kreditmärkte offerieren nach dem Zinsanstieg im Vorjahr wieder deutlich höhere Durchschnittsrenditen.
  • Staatsanleihen können aufgrund des gestiegenen Renditeniveaus ihre Funktion als sichere Häfen wieder besser erfüllen.
  • Europäische Hochzinsanleihen bieten gegenüber Staatsanleihen attraktive Zinsaufschläge.

Das Jahr 2022 wird als Schreckensjahr für Anleihen in die Annalen eingehen. Der Anstieg der Rohstoffpreise, der Inflation und die Straffung der Geldpolitik führen zu einem Einbruch bei den Anleihepreisen. Positiv ist, dass die Anleihen nun wieder nennenswerte Renditen abwerfen. Im Interview analysiert Fondsmanager Per Wehrmann, welche Chancen die Anleihenmärkte bieten und welche Risiken Investoren beachten sollten.

Im Vorjahr kam es zu einem kräftigen Anstieg der Anleiherenditen. Kann man bei dem jetzt erreichten Zinsniveau bereits von einer breiten Renaissance der Anleihen sprechen?

Aktuell sind die realen Zinsen für die meisten Anleihesegmente aufgrund der hohen Inflation noch negativ. Entscheidend für die weitere Entwicklung wird daher sein, wie schnell und auf welches Niveau die Inflation runterkommen wird. Daher halten wir es noch für verfrüht, pauschal von einer Renaissance der Anleihemärkte zu sprechen, auch wenn die Bewertung von einigen Segmenten wieder deutlich attraktiver geworden ist. So offerieren die Kreditmärkte mittlerweile wieder deutlich höhere Durchschnittsrenditen, was sie als Ertragsquelle für Investoren längerfristig wieder interessanter machen sollte.

Welche Anleiherenditen sind derzeit erzielbar? Und wie hoch ist das Risiko?

Die Durchschnittsrendite des europäischen Marktes für Hochzinsanleihen ist aufgrund des starken Zinsanstiegs und des Anstiegs der Risikoprämien gegenüber Staatsanleihen deutlich auf ca. sieben Prozent gestiegen. Auch wenn ein Teil des Anstiegs auf die gestiegenen makroökonomischen und fundamentalen Risiken zurückzuführen ist, muss man auf der anderen Seite auch berücksichtigen, dass die Ausfallrate1 mit unter einem Prozent immer noch sehr niedrig ist. Zudem ist die Ratingqualität des europäischen Hochzinsanleihenmarktes mit einem sehr hohen BB Anteil2 von über 60 Prozent und einem geringen CCC Anteil3 immer noch historisch hoch ist.

Müssen Investoren 2023 mit weiteren Leitzinserhöhungen der Fed und der EZB rechnen? Und was bedeutet das in Bezug auf die Renditeentwicklung von US- und Euro-Anleihen?

Wir rechnen mit weiteren Leitzinserhöhungen in der ersten Hälfte 2023 sowohl durch die FED als auch durch die EZB, wobei die einzelnen Zinsschritte geringer ausfallen sollten als im Jahr 2022. Im Laufe des Jahres erwarten wir einen Rückgang der Inflation. Das lässt uns vermuten, dass die Zentralbanken in der 2. Hälfte des Jahres pausieren werden. Eine erste Zinssenkung der FED gegen Ende des Jahres schließen wir nicht gänzlich aus, halten sie aber für eher unwahrscheinlich. Für 2023 erwarten wir zudem einen weiteren Anstieg der Zinsen für Bundes- und Staatsanleihen, wobei dieser Anstieg moderat und bei weitem nicht so drastisch wie in 2022 ausfallen dürfte.

Ungewöhnlich war 2022, dass Anleihen und Aktien zunächst gleichzeitig fielen. Werden wir 2023 eine Normalisierung sehen?

Die gute Wertentwicklung der meisten Anlageklassen, also vor allem der Aktien- und Rentenmärkte, in den Jahren vor 2022 ging zu einem nicht geringen Teil auf die niedrigen Inflationsraten und die expansive Geldpolitik der meisten Zentralbanken zurück, was zu der hohen Korrelation geführt hatte. Daher musste man erwarten, dass diese positive Korrelation auch intakt blieb als sich die Inflation und dementsprechend auch die Geldpolitik der Zentralbanken im letzten Jahr drehte. Die meisten Anlageklassen erlitten dadurch hohe Kursverluste. Kurzfristig erwarten wir, dass die Inflationsentwicklung und die Geldpolitik der Zentralbanken die entscheidenden Risikotreiber bleiben sollten, so dass es in einem normalen Umfeld wahrscheinlich ist, dass die Korrelation positiv bleibt.

Risikostreuung mit Anleihen war in der Niedrigzinsphase schwierig. Können Investoren mit der Beimischung von Anleihen ihr Portfoliorisiko wieder reduzieren?

Staatsanleihen können aufgrund des gestiegenen Renditeniveaus ihre Funktion als sichere Häfen4 wieder besser erfüllen. In einem Risk-Off-Szenario, in dem die Investoren aufgrund steigender Risiken, also einem Schockereignis oder zunehmender Rezessionsängste, reduzieren und dadurch die Risikoprämien ansteigen, wirken Staatsanleihen stabilisierend. Sie können von Investoren wieder stärker zur Risikodiversifikation genutzt werden.

Auf welche Anleihen sollten Investoren eher setzen – Investment Grade oder Hochzinsanleihen?

Wir sind generell konstruktiv auf die Kreditmärkte in diesem Jahr. Daher erwarten wir in unserem Basisszenario, dass Hochzinsanleihen eine höhere Rendite als Investment Grade in diesem Jahr erzielen wird. Allerdings muss man berücksichtigen, dass das aktuelle Kapitalmarktumfeld mit größeren konjunkturellen, geldpolitischen und geopolitischen Risiken verbunden ist, so dass größere Rückschläge nicht auszuschließen sind. Da wir erwarten würden, dass Investment Grade in solchen Phasen besser entwickeln sollte als Hochzinsanleihen, würden wir für risikoaverse Investoren eher Investment Grade empfehlen.

Lohnt für Investoren der Blick ins Ausland – also beispielsweise auf Anleihen in US-Dollar oder andere Währungen?

Wenn man sich einzig die Bewertung im Bereich Unternehmensanleihen anschaut, dann finden wir meistens EUR denominierte Anleihen attraktiver als USD denominierte Anleihen, da letztere nach Berücksichtigung der Absicherungskosten für das Währungsrisiko meistens geringere Renditen offerieren. USD denominierte Anleihen können für solche Investoren Sinn machen, die entweder das Währungsrisiko offenlassen wollen oder die mit einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung von US-Staatsanleihen rechnen. Für Euro Investoren, die eine regionale Diversifizierung anstreben, können EUR denominierte Unternehmensanleihen von US-Emittenten interessant sein, die meistens eine attraktive Renditeprämie gegenüber den USD denominierten Anleihen von denselben Emittenten aufweisen.

Tendenziell gilt ja, je länger die Duration einer Anleihe, also die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer der Anlage, umso stärker reagiert der Anleihepreis auf Zinsänderungen. Welche Laufzeiten präferieren sie bei Anleihen?

Im Unternehmensanleihenmarkt präferieren wir eher kurzfristige Anleihen mit Laufzeiten von bis zu 5 Jahren, da die Renditekurven mittlerweile flach oder häufig schon invers sind – das heißt, die Renditen von kurzfristigen Anleihen sind in der Regel höher als die von längerfristigen. Mit einer Rückkehr zu den extrem niedrigen Renditen von vor 2022 rechnen wir nicht.

Fußnoten:

1 Die erwartete Ausfallrate ist eine Kennziffer im Kreditwesen einer Bank und bezieht sich dabei auf die Ausfallwahrscheinlichkeit von Schuldnern bzw. das Eintreten eines Ausfalls. Quelle: https://www.bezahlen.de/lexikon/ausfallrate-erwartete_1928.html. Aufgerufen am 08.02.2023
2 Ab BBB bezeichnet man Anleihen als Investment Grade, unter BB Hochverzinsliches, High Yield oder gar Junk Bonds. Quelle: https://www.boerse-frankfurt.de/anleihen. Aufgerufen am 08.02.2023
3 Der Cash Conversion Cycle (CCC), auch „Geldumschlagsdauer“, „Working Capital Cycle“ oder „Cash Cycle“ genannt, ist eine Kennzahl zur Kapitaleffizienz eines Unternehmens. Quelle: https://www.deltavalue.de/cash-conversion-cycle/. Aufgerufen am 08.02.2023
4 Sicherer Hafen: umgangssprachliche Bezeichnung für eine Kapitalanlage, bei der der prognostizierte Rückfluss des Kapitals mit hoher Wahrscheinlichkeit über dem Wert des Kapitaleinsatzes liegt

Anlageprodukte:

DWS Invest Short Duration Income LC (LU2220514363) 

DWS Invest Euro High Yield Corporates LC (LU0616839501)

DWS Invest Corporate Green Bonds LD (LU1873225616)

DWS Invest Euro Corporate Bonds LC (LU0300357554) 
 


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