Einfach zahlenbasiert anlegen: So wird Chartanalyse oft dargestellt. Doch wenn man anlegt, muss man wissen, was die Zahlen aussagen – und was nicht. Und man sollte sich klarmachen, dass zu häufige Fondswechsel den langfristigen Anlagezielen schaden.

Lange Zeit wurde Chartanalyse praktisch nur von professionellen Wertpapierhändlern und Daytradern genutzt. Deren Ziel: Durch extrem kurzfristige Abfolgen von Wertpapierkäufen und -verkäufen mit zum Teil hohen Einsätzen Gewinne zu erzielen. Eine gewisse Risikobegrenzung ist hier durch die kurzen Haltedauern (oft nur wenige Minuten oder gar Sekunden) der eingegangenen Positionen gegeben. Doch in den letzten Jahren werden Chartanalysen und Onlinetools zur Chartanalyse einer immer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Typischerweise von Trading-Plattformen oder anderen Dienstleistungsanbietern, die am Kauf und am Verkauf von Wertpapieren verdienen. Auch medial findet die Chartanalyse wachsende Beachtung. Was ist also dran? Und kann sie Fondsanlegerinnen und -anlegern sowie deren Beratungspartnern helfen, Anlage- und Vorsorgeziele noch besser, womöglich mit noch höheren Renditen zu erreichen?

Chartanalyse: Ein geschlossenes System von Zahlen

Die Chartanalyse (auch technische Analyse genannt) bezieht sich allein auf die Kurswerte von Wertpapieren in der Vergangenheit. Dieses System an Zahlen ist der „Erfahrungsfundus“, aus dem die Chartanalyse schöpft und möglicherweise Handlungsempfehlungen ableitet.

Eine typische und oft genutzte Darstellung in der Chartanalyse erweitert die einfache Verlaufsgrafik für Kurswerte von Wertpapieren wie Aktien, Anleihen, aber auch Fondsanteilen oder ETFs um eine weitere Komponente: die sogenannten Candlesticks. Mit ihrer Hilfe lassen sich weitere Werte, die der technischen Analyse zur Verfügung stehen, in einem Chart zusammenfassen und schnell erfassbar visualisieren. An jedem Handelstag (üblicherweise nur mit dem Schlusskurs des Wertpapieres an jedem Tag in der Grafik präsent) markiert die „Kerze“ mit ihren beiden Enden den höchsten und den niedrigsten Kursstand des Handelstages. Die Farbe wie zum Beispiel schwarz oder weiß zeigt zudem auf einen Blick, ob das Wertpapier aus dem Handelstag mit Gewinnen oder Verlusten herausgegangen ist. Die Grafik stellt das beispielhaft für 26 Handelstage dar.

Candlesticks: Kursverlauf mit mehr Aussagekraft

Candlesticks

Darstellung zu rein illustrativen Zwecken. Es wird kein spezifisches Investment dargestellt. Quelle: FFB

Wer langjährige tägliche Erfahrung beim Handel von Wertpapieren hat, kann womöglich in diesen Darstellungen Muster erkennen, nach denen ein weiterer Kursverlauf in gewisser Weise „wahrscheinlich ist“. Dann könnten etwa Käufe eines Bestimmten Wertpapiers etwas verzögert werden, wenn aus Erfahrung die Vermutung naheliegt, dass die Kurse in naher Zukunft (wie etwa in Minuten oder am nächsten Tag) sinken werden. Ein Einstieg würde dann attraktiver.

Vom Wert von Formeln

Weil heute sekündlich neue Werte für viele der Wertpapiere weltweit zur Verfügung stehen, ist die Flut von Daten nicht mehr überschaubar. Da hilft es, dass erfahrene Experten sich Modelle zurechtgelegt und Formeln entwickelt haben, mit denen sie versuchen, wiederkehrende Muster zu erkennen und zu verdeutlichen. Eine beliebte Darstellung ist die Berechnung von Linien zur Trendfolge, die dann in die klassische Wertverlaufsgrafik eingebettet werden. Typischerweise wird hier der gleitende Durchschnitt des Kurses vorangegangener Handelstage angegeben. So berechnet sich für jeden Tag X ein Wert, der sich aus dem Durchschnitt von zum Beispiel 38 Handelstagen zuvor ergibt und am Tag X in der Grafik abgetragen wird.

Inwiefern kann das beim Anlegen helfen? Fallende Trendfolgelinien deuten auf einen etablierten Abwärtstrend, steigende auf einen etablierten Aufwärtstrend hin. Gerade bei Trendänderungen kann die Aussage mit aller Vorsicht herangezogen werden, um eine bessere Einschätzung zu erhalten, ob sich eine Trendumkehr wirklich vollzogen hat.

Trendfolgelinien: Hat sich ein Trend etabliert?

Trendfolgelinien

Darstellung zu rein illustrativen Zwecken. Es wird kein spezifisches Investment dargestellt. Quelle: FFB

Wer sich einmal etwas zurücklehnt und nachdenkt, kann den Wert und die Grenzen des Wertes solcher Aussagen im Rahmen der Chartanalyse für sich besser einordnen. Einfach einmal an das schlechteste Fach während der Schulzeit denken. Und dann eine Phase ins Auge fassen, in der man womöglich hart gearbeitet hat, um in diesem Fach besser zu werden. Normalerweise wurden durch die harte Arbeit die Noten besser – eine intakte aufsteigende „Trendline“ der Benotung entstand. Und jetzt einmal nachdenken, was passiert ist, als man der Meinung war, es müsse auch ohne Lernanstrengung gehen: Nicht selten dürfte der Aufwärtstrend jäh gestoppt worden sein und sich vielleicht sogar direkt umgedreht haben. Und das ohne Vorwarnung im Trendfolgeindikator.

An diesem Beispiel aus dem Leben kann man sich verdeutlichen: Einflussfaktoren, die sich nicht in den Kurszahlenwerten (oder am Beispiel: „Noten“) zeigen, werden von einer rein technischen Analyse nicht berücksichtigt. Wie bei der Entwicklung der Benotung in einem Fach, die auf die Einstellung der Lernarbeit reagiert, reagieren Kurse von Wertpapieren auf eine Vielzahl von Faktoren, die sich eben nicht in der vorangegangenen Wertentwicklung niedergeschlagen haben: Zölle, die es vorher nicht gab, werden erhoben, Kriege brechen aus oder etwa die Energieversorgung wird überraschend beeinträchtigt. Das sind alles Einflussfaktoren, die üblicherweise durch volkswirtschaftliche, politische oder fundamentale Analysen zu einzelnen Werten/Unternehmen erfasst werden. Diese zusätzlichen Analysen, die weit über die technische Analyse hinausgehen, vervollständigen erst das Bild.

Chartanalyse gehört in professionelle Hände

Chartanalyse kann also für Anlagehorizonte, die über das Daytrading hinausgehen, nie allein ausschlaggebende Kriterien für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren liefern. Und sie gehört in erfahrene Hände, die sich der Aussagekraft der aus der technischen Analyse abgeleiteten Prognosen jederzeit bewusst sind. Fondsanlegerinnen und Fondsanleger kommen übrigens mitunter bereits in den „Genuss“ von Chancen der technischen Analyse, ohne es zu wissen. Denn im Hintergrund läuft im Fondsmanagement und in der Fondsverwaltung ein arbeitsteiliger Prozess. Die Portfolio- oder Fondsmanager geben – häufig auf Basis volkswirtschaftlicher oder einzelwertbezogener Fundamentalanalysen – eine Portfoliostruktur vor. An den Handelstischen werden dann im Hintergrund die entsprechenden Wertpapiere für den Fonds gekauft oder verkauft. Das soll besonders günstig geschehen. Hier arbeiten erfahrene Trader, die sich durchaus mit all ihrer Erfahrung auch Aspekten der technischen Analyse bedienen.

Langfristige Anlageziele: Am besten ohne Hektik verfolgen

Ein weiterer Grund, sich als Fondsanlegerin oder Fondsanleger nicht zu viel von der Chartanalyse zu erwarten, ist der Anlagehorizont. Gemeinsam mit der Beraterin oder dem Berater werden in aller Regel sehr langfristige Anlageziele wie etwa die Altersvorsorge für die Zeit nach dem Erwerbsleben verfolgt. Dafür eignen sich Fonds und ETFs besonders gut. Denn in deren Rahmen können Fondsmanager (oder die Selektionskriterien von Indizes, die ETFs zugrunde liegen) Anpassungen an sich ändernde Marktentwicklungen vornehmen, ohne dass Anlagerinnen oder Anleger Fondsanteile verkaufen und neue kaufen müssen. Und das ist gut so. Denn mit jedem Verkauf und Neukauf wird der „Zinseszinseffekt“ unterbrochen. Werden Fondsanteile verkauft, wird auf die seit Kauf erzielten Gewinne eine Abgeltungsteuer von 25% fällig. Diese muss von der Bank, die das Depot führt, direkt an das Finanzamt abgeführt werden. Bei der Wiederanlage in einen anderen Fonds „fehlt“ dieser Betrag.

Langfristig machen sich also zu häufige Fondswechsel in einer geringeren Kapitalrendite bemerkbar. Das hypothetische Rechenbeispiel in der Grafik macht das deutlich. Wer 5.000 Euro anlegt – beispielweise in einen aktiven Publikumsfonds oder ETF –, könnte nach zehn Jahren bei einer angenommenen Rendite von zehn Prozent im Jahr auf einen Kapitalstand von fast 11.000 Euro blicken. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass ein anderer Anleger jeweils zu Jahresende seine Fondsanteile verkauft und in einen neuen Fonds wieder anlegt und dass auch hierbei in jedem Jahr zehn Prozent Rendite erzielt würden. Dann stünden nach zehn Jahren nur rund 10.300 Euro zu Buche. Wer mit „ruhiger Hand“ angelegt hätte, könnte sich also über rund 6 % mehr Kapital nach zehn Jahren freuen. Und dabei sind die beim Verkauf und Kauf in unterschiedlicher Höhe anfallenden Kirchensteuern, Solidaritätsbeiträge sowie mit Verkauf und Erwerb verbunden Kosten noch gar nicht berücksichtigt.

Häufige Fondswechsel: Steuerliche Auswirkungen (EUR)

Fondswechsel

Darstellung zu rein illustrativen Zwecken. Es wird kein spezifisches Investment dargestellt. Es wird hypothetisch eine konstante Rendite von 10% für alle Investments unterstellt. *Wert nach Abzug Abgeltungssteuer. Beim konstanten Investment wurde die Abgeltungsteuer am Ende der der 10-Jahres-Periode abgezogen. Quelle: FFB

Fazit für Fondsanlegerinnen und Fondsanleger

Die technische Analyse kann eines von vielen Hilfsmitteln für erfahrene Wertpapierhändler sein, denen die spezialisierte Aufgabe des optimierten Einkaufs von Wertpapieren zukommt. Bei Kauf- oder Verkaufsentscheidungen von Fonds- oder ETF-Anteilen kommt ihr kaum eine wichtige Rolle zu. Das liegt zum einen am deutlich langfristigeren Zeithorizont, über den auch fundamentale und volkswirtschaftliche Einflussgrößen berücksichtigt werden müssen, über die eine Chartanalyse gar keine Aussage treffen kann. Zum anderen könnten ein übergroßes Vertrauen in „Gelegenheiten“, die sich vermeintlich in der Chartanalyse zeigen, zu einem Nachteil in der langfristigen Wertentwicklung der eigenen Geldanlage werden. Denn mit jedem Verkauf (und Neukauf) schmälern Steuerabzüge und Kosten potenziell den Wert des investierten Kapitals.

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