Die Welt ist in Aufruhr, aber die Aktienmärkte boomen – können Anlegerinnen und Anleger dieser Entwicklung trauen? Oder sind die Aktienmärkte einfach blind für die Risiken, die politisch und wirtschaftlich bestehen? Die entscheidenden Hintergründe.

Fortdauernde Kriege, ständiger Zollstreit der USA mit Handelspartnern weltweit, inzwischen chronische Sorgen um die Konjunktur: Es gibt derzeit viele schlechte Nachrichten, die Aktienmärkte erschüttern könnten und „eigentlich“ müssten. Aber die Börsen nehmen diese anscheinend mit einem Achselzucken zur Kenntnis, ohne eine zu erwartende deutliche Reaktion zu zeigen. Müssen Anleger befürchten, dass die Märkte blind geworden sind für Risiken und ein Erwachen mit Folgen droht? Oder gibt es gute Gründe, warum sich Aktien auch perspektivisch weiter als sehr aussichtsreiches Investment behaupten können? 

DAX hängt US-Märkte ab

Angesichts des Krieges am Rand von Europa, der Wechselhaftigkeit der US-Politik und den fast gebetsmühlenartig vorgetragenen Konjunktursorgen in Europa und auch in den USA muss die Entwicklung der Aktienmärkte irritieren. Rund 15% legte das Welt-Aktienbarometer für entwickelte Märkte MSCI World seit Jahresanfang zu, der DAX wies für die deutschen Standardwerte im selben Zeitraum sogar ein Plus von mehr als 18% aus. Damit wurden sogar in diesem Jahr die bisher überschwänglich wachsenden US-Tech-Aktien abgehängt (siehe Grafik). Bei näherem Hinschauen zeigt sich jedoch ein sehr unterschiedliches Bild der Wachstumstreiber.

YTD: DAX überflügelt auch US-Tech (Grafik auch zum Download verfügbar)

-

Kurzfristige Betrachtung zur Illustration. Keine Investitionsempfehlung. In die dargestellten Indizes kann nicht unmittelbar investiert werden. Wertentwicklungen der Vergangenheit sind keine Garantie für künftige Entwicklungen. Betrachtungszeitraum: 01.01.2025 bis 16.09.2025.

Quelle: LSEG Datastream, 16.09.2025
 

Was den DAX treibt

Beim DAX stechen zwei Aktien hervor, die auf Jahressicht ihren Wert mehr als verdreifachen konnten und damit zu einem ganz wesentlichen Motor der zurückliegenden DAX-Entwicklung wurden. Rheinmetall profitiert von der Wachstumsdynamik seiner Rüstungssparte. Der Grund: Die weiteren geplanten und durch die militärische Bedrohung an der Ostflanke der NATO stimulierten Rüstungsinvestitionen in Deutschland und Europa. Hier ist ein Ende der hohen staatlichen Ausgaben nicht abzusehen. Auch mit der Ausweitung auf das maritime Rüstungsgeschäft durch die Übernahme mehrerer Werften scheint eine Mehrheit der Analysen zufrieden.1 Der DAX-Aufsteiger könnte seinen Durchmarsch unter den deutschen Standardwerten fortsetzen. Erst sein März 2023 im DAX notiert2, klopft er inzwischen an die Top-5 der DAX-Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung und damit dem höchsten Gewicht im DAX.3

Auch der zweite Wert hat eine Aufsteigergeschichte. Die durch eine lange umstrittene Restrukturierung ausgegliederte Netz- und Energiesparte Siemens Energy schrieb erstmals im Geschäftsjahr 2023/20244 schwarze Zahlen. Auch diese Aktie gehört mit einem Plus von mehr als 200% im zurückliegenden 1-Jahres-Zeitraum zu den Gewinnern. Hier könnte sich – trotz aller Probleme im Detail – die Fokussierung auf Energieversorgungssysteme als einem für die industrielle Zukunft enorm wichtigen Wirtschaftszweig auch längerfristig auszahlen.5

Was den US-Markt treibt

Während die Treiber des DAX also auf durchaus konkreten Nachfrageszenarien basieren, sind die US-amerikanischen Aktienmärkte weiter fest im Bann der großen Tech-Giganten wie Nvidia & Co. Hier stehen vor allem das Potenzial für weiteres Wachstum und damit verbundene Kursfantasien angesichts der weiter zunehmenden Zahl der Anwendungsfelder für KI im Fokus. Noch mehr als in Europa ist damit der US-Aktienmarkt von der Leitzinsentwicklung abhängig. Denn großes kreditfinanziertes Wachstum wird wirtschaftlich eben wesentlich attraktiver, wenn die Zinsen sinken und die Kreditkosten weniger stark auf die Bilanz drücken.

Die Fed als Potenzialspeicher

Aufgrund der starken Wachstumsorientierung des US-Aktienmarktes kommt der US-Zentralbank Fed eine besondere Bedeutung zu. Deshalb erregen die Termine der Zinsentscheidung des dafür zuständigen Offenmarktausschusses auch immer großes Interesse in den Medien – und an den Anlagemärkten. Auch nach den jüngsten Zinsentscheidungen hat sich die Ausgangssituation im Vergleich zum Jahresanfang kaum verändert: Die Fed ging mit einem Leitzins von 4,5 %6 ins Jahr 2025, die EZB nach ersten Zinssenkungen mit 3%. Inzwischen sind die Leitzinsen in der Eurozone auf 2% gesunken.7

Der Abstand, den die Fed bislang wahrt, kann auch als Potenzial gesehen werden. Denn er lässt Raum für weitere stimulierende Zinssenkungen in der Zukunft. Und so wird auch künftig jeder Termin der Zinsentscheidung wie am Mittwoch vergangener Woche die Märkte bewegen. Jeder Zinsschritt nach unten wird hier als Erleichterung der Wachstumsfinanzierung (gerade bei US-Big-Tech) aufgenommen werden. Und das Drängen der Trump-Administration in Richtung Zinssenkung dürfte kaum nachlassen.

Anlagebedarf für globales Kapital als Systemstabilisator?

Ein anderer Faktor, der die Preise an den Aktienmärkten bestimmt, kommt von der Nachfrageseite. Das weltweit verfügbare Nettovermögen wächst unaufhaltsam – und soll auch in den nächsten Jahren weiterwachsen (siehe Grafik). Damit drängt immer mehr Kapital an die Märkte und treibt die Kurse. Perspektivisch könnten damit höhere Bewertungen zu einer Konstante in der Zukunft werden.

Natürlich fließen die Kapitalströme nicht konstant gleichermaßen in Aktien, auch andere Anlageklassen können zum Beispiel bei zunehmender Verunsicherung mehr in den Fokus geraten. Dennoch sind die privaten Vermögen im Gegensatz zum Beispiel zu institutionellen Vermögen etwa von Versicherungen (die auch kurzfristige Kapitalverfügbarkeit gewährleisten müssen) tendenziell langfristig investiert – mit Aktien als „natürlichem“ Schwerpunkt.

Auf Kurs Wachstum: Privates Nettovermögen weltweit (in Billionen US-Dollar) (Grafik auch zum Download verfügbar)

auf-kurs

Quelle: Statista/BCG, Global Wealth Report 2024, Seite 4, Juli 2024

Fazit für die Fondsanlage

Die Risken und potenziellen politische Störfaktoren für die globalen Aktienmärkte sind in den letzten Monaten sicher nicht geringer geworden. Immer wieder kann und wird es auch in Zukunft zu Rücksetzern kommen. Dennoch ist eine gute Aktienmarktrendite wie bisher in diesem Jahr kein Zeugnis von Blindheit der Marktteilnehmer. Es gibt durchaus Treiber und Potenziale, die auch weiter positive Renditen an Aktienmärkten ermöglichen. Diese Treiber sind glücklicherweise sogar sehr diversifiziert und beziehen sich auf traditionelle Industrien und Geschäftsmodelle wie auch auf Zukunftsindustrien. Das Wachstum des Kapitals, das an die Märkte drängt, kann zudem auch als kaum zu überschätzender langfristig stabilisierender Faktor angesehen werden. 

Trotz aller Risiken, die insbesondere für die kurzfristige Wertentwicklung an den Aktienmärkten immer bestehen, müssen Anlegerinnen und Anleger auf diese in ihrer langfristigen Rendite überlegene Anlageklasse nicht verzichten. Fonds und ETFs sind bewährte Instrumente der Risikostreuung. Wer zudem die aktive Anpassung an veränderte Marktsituationen auf Fonds- oder Portfolioebene im Auge behält, kann die unterschiedlichen Treiber gezielter einsetzen. Auch regionale Aktienmärkte wie etwa Schwellenländer könnten weiter von einer zusätzlichen Aufholdynamik profitieren.

Wer angesichts möglicherweise wachsender Turbulenzen auch seine Aktienexponierung zum Teil etwas defensiver gestalten möchte, kann bei dividendenorientierten Fonds oder ETFs fündig werden.

Dieser Beitrag kann weiterveröffentlicht werden: Bei Interesse ist Rücksprache mit fil-marketinggermanypia@fil.com erforderlich.

Quellen/Fußnoten:

1 www.boerse-online.de, 15.09.2025. Die Nennung einzelner Unternehmen oder Aktienwerte erfolgt rein illustrativ ohne eigene Analysen. Eine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf einzelner Wertpapiere ist damit ausdrücklich nicht verbunden.
2 rheinmetall.com, 20.03.2025
3 welt.de, 15.09.2025
4 handelsblatt.de, 20.02.2025
5 Die Nennung einzelner Unternehmen oder Aktienwerte erfolgt rein illustrativ ohne eigene Analysen. Eine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf einzelner Wertpapiere ist damit ausdrücklich nicht verbunden.
6 Statista/Fed, Juli 2025
7 Statista/EZB, September 2025

Strategien für Ihre Kundenportfolios:

Nahaufnahme: Wann heben „Flugautos“ richtig ab?

China ist technologisch auf der Überholspur – und das vielleicht bald auch au…


Fidelity

Fidelity

Research team

10 Themen für das kommende Jahr | DWS

Wir betrachten wahrscheinliche Entwicklungen mit starkem politischem Einfluss…


DWS

DWS

Experten-Gastbeitrag

Peter Lingen: 10 Jahre Robotics-Strategie | Pictet

Von der Industrierobotik bis zur generativen KI: Das Robotik-Investmentteam v…


Pictet Asset Management

Pictet Asset Management

Experten-Gastbeitrag