In einem Marktumfeld mit unwägbaren volkswirtschaftlichen Risiken können marktneutrale Strategien helfen, Erträge zu stabilisieren. Eine Rundum-Sorglos-Lösung sind sie allerdings nicht.
Der April 2025 ist in den Köpfen vieler Anlegerinnen und Anleger noch lange nicht abgehakt. In kürzester Zeit schaffte es die Trump-Administration fast im Alleingang mit aggressiven Zoll-Drohungen und einer als waghalsig wahrgenommenen Haushaltspolitik Aktien- und Anleihemärkte durcheinander zu wirbeln.
Und weitere Ursachen für Irritationen an den Anlagemärkten stehen möglichweise schon Schlange: Kriegerische Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, neue unerwartete „Einfälle“ von US-Präsident Trump oder ein Schuldenkollaps in wichtigen Weltwirtschaftsregionen? Kundinnen und Kunden sind nicht grundlos verunsichert.
Und in einem haben sie Recht mit ihren Befürchtungen: Wenn sich die Situation zum Beispiel am Aktienmarkt zuspitzt, geht das meist schnell. Wie eben zuletzt im April dieses Jahres als die Welt fast in Angststarre auf die Zollphantasien von Trump schaute. In wenigen Tagen schnellte der VIX Index, das „Angstbarometer“ für den amerikanischen Aktienmarkt, nach oben.
Ängste am Markt: Unverhofft kommt oft – und schnell.
Volatilitätsindex am US-Aktienmarkt (5 Jahre)

Quelle: Bloomberg, Daten vom 30. Juni 2025. Anmerkung: In der Regel besteht ein allgemeiner Konsens darüber, dass ein VIX-Wert von über 30 ein Zeichen für zunehmenden wirtschaftlichen Stress ist. Günstige Werte liegen unter 20.
Die Idee: auf aussichtsreiche Aktien setzen, gegen potenzielle Verlierer wetten, Marktbeta ausschließen
Wer in solchen Phasen nicht nur auf die Marktentwicklung insgesamt schaut, sondern tiefer in die Analyse einsteigt, wird sehen, dass die Aktien von einzelnen Unternehmen nicht gleich schlecht performen.
Die Grafik macht das an zwei Unternehmen aus dem Technologiesektor deutlich. Aufgrund ihrer spezifischen Ausrichtung und Geschäftsmodelle entwickelten sich die Kurse ihrer Aktien im betrachteten Beispielzeitraum teils sogar gegenläufig.
Einzeltitel: Unterschiedliche Entwicklungen (Beispiele: seit Januar 2021)

Die Nennung von Unternehmen und Aktien erfolgt rein zur Illustration in stellt keine Beratung zum Kauf oder Verkauf einzelner Titel dar. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein zuverlässiger Indikator für zukünftige Ergebnisse. Strategien, die außerhalb des Euroraums investieren, können von Wechselkursschwankungen betroffen sein.
Quelle: Quelle: LSEG Datastream, 31. März 2025.
Die auch solchen Beobachtungen folgende Überlegung hinter marktneutralem Investieren ist häufig: Man müsste doch das Marktbeta – also die Risiken und die Renditechancen aus der Marktentwicklung – im Investment eliminieren können. Dann könnte man gezielt in Titel investieren, die sich überdurchschnittlich entwickeln, und andererseits vom Verlust von ausgewählten Titeln profitieren, die schlechter als andere performen. Auf diese Weise ergäbe sich aus dieser Differenz ein positiver Ertrag für Anlegerinnen und Anleger.
Im Gegensatz zu klassischen Long-Only-Aktienstrategien, die immer auch voll im jeweiligen Markt (z. B. Aktienmarkt) exponiert sind, kann durch Käufe (Long-Investments) und gleichzeitige Verkäufe (Short-Investments) im selben Umfang die Exponierung gegenüber dem Markt neutralisiert werden. Das Marktbeta entfällt (siehe Grafik).
Die Grundidee des marktneutralen Investierens: Durch Gegengeschäfte die Marktentwicklung ausschalten (Grafik auch zum Download verfügbar)

Quelle: FFB, Juli 2025. Darstellung zu rein illustrativen Zwecken.
Marktneutrale Strategien: Chancenprofil hängt an der Dispersion der Wertwicklung
Wenn die Differenz zwischen den besten und schlechtesten Titeln in einem Markt (die sog. Dispersion) wächst, kann das für die Chancen eines marktneutralen Investments zuträglich sein. Denn damit wächst der mögliche Ertrag, den man erzielen kann, wenn es gelingt, auf die besten Titel im Markt zu setzen und in die schlechtesten short zu investieren.
Seit Jahren zeigt sich eine klare Tendenz: Die Dispersion hat ein neues Niveau erreicht. Treiber dieser Entwicklung könnten Umbrüche in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sein, die Anpassungen von Unternehmen erfordern und in der Unternehmenslandschaft folglich Gewinner und Verlierer hinterlassen. Die Grafik „Aktienstreuung steigt“ zeigt diese Entwicklung anhand der US-Aktien im S&P 500.
Aktienstreuung steigt: Potenziale für marktneutrale Strategien wachsen

Quelle: bfinance, basierend auf Bloomberg-Daten zum 31. März 2024. Der Cboe S&P 500 Dispersion Index (DSPX) misst die erwartete Streuung des S&P 500 in den nächsten 30 Kalendertagen, die anhand der Preise von S&P 500-Indexoptionen und der Preise von Einzelaktienoptionen ausgewählter S&P 500-Bestandteile unter Verwendung einer modifizierten Version der VIX-Methodik berechnet wird. Der Dispersionsindex ist ein Indikator für die Erwartung des Marktes hinsichtlich des Ausmaßes der idiosynkratischen Bewegungen der Kurse der S&P 500-Bestandteile in den nächsten 30 Tagen. Indizes sind nicht investierbar, und die „Renditen von Indizes wie dem S&P 500 enthalten nicht die für die Investition erforderlichen Kosten.
Chancen marktneutralen Investierens nutzen: hohe Voraussetzungen
Die guten long, die schwachen short: Klingt einfach und verlockend – in der Theorie. Denn Asset Manager benötigen als Voraussetzung für erfolgreiche marktneutrale Strategien ein hervorragendes fundamentales Bottom-Up-Research und besondere Analyse-Fähigkeiten. Es müssen eben nicht nur die besten und aussichtsreichsten Unternehmen identifiziert werden, sondern auch die schlechtesten.
Und eine weitere Komplexität kommt hinzu: Wer mit einer marktneutralen Strategie möglichst gleichmäßige Erträge erzielen möchte, muss den Zeitfaktor im Risikomanagement mit einbeziehen. Denn es reicht nicht einmal aus, zu wissen, dass sich eine Aktie vermutlich besser entwickeln wird als eine andere. Es kommt auch darauf an, wann sich diese Einschätzung an den Märkten durchsetzt. Auf diese Weise sind selbst marktneutrale Strategien auch vom jeweiligen Markt abhängig.
Renditehürde: Das Beta fehlt
Die Renditechancen marktneutraler Strategien wachsen zwar mit der Dispersion der Aktienwertentwicklungen in einem Markt, wie oben dargestellt. Anlegerinnen und Anleger sollten sich aber bewusst sein, dass die Rendite des Anlagemarktes (das Beta) nicht zur Verfügung steht. Sie sollten sich vor Augen halten, dass zum Beispiel der globale Aktienmarkt gemessen am MSCI World selbst nach der für Euro-Anleger schwierigen Phase in den ersten Monaten des Jahres 2025 auf Sicht von 10 Jahren ein Wachstum von rund 120 % aufweisen konnte, rund 75% in den letzten fünf Jahren. Das sind die Art Marktrenditen, die dem marktneutralen Investment erst einmal „fehlen“.
Der Wert stabiler Korrelation
Ein wichtiger positiver Aspekt ist allerdings, dass die Korrelation zu den wichtigen Anlageklassen per Definition immer 0 oder nahe 0 sein sollte. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu traditionellen Diversifikatoren wie Anleihen. Im Vergleich zu Aktien haben wir bei Anleihen in den letzten Jahren gerade während kritischer Marktphasen häufiger einen Correlation Breakdown erlebt. Die Korrelation beider Anlageklassen näherten sich eher dem Wert 1 – ein Beinahe-Gleichlauf, durch den die Diversifikationswirkung aufgehoben wurde. Die Diversifikation mithilfe marktneutraler Strategien sollte dagegen zuverlässig wirken.
Marktneutal investieren: Vor- und Nachteile
Pros:
- Chance auf positive Erträge auch in turbulenten Marktphasen mit fallenden Kursen in allen wichtigen Anlageklassen.
- Klare und stabile Diversifikation durch eine Korrelation nahe 0.
- Kann als Beimischung für mittelfristig orientierte oder risikoavers ausgerichtete Anleger zur Portfoliostabilität beitragen.
Cons:
- Renditepotenzial des Marktbeta wird nicht genutzt.
- Starke Abhängigkeit von der Verlässlichkeit des Research und der Analysen des Asset Managers.
- Keine Garantie der Vermeidung von Verlusten,
Fazit
Gerade für Anlegerinnen und Anleger, die eher risikoavers sind, oder für Anlageportfolios, mit denen vielleicht eher mittel- als langfristige Investmentziele verfolgt werden, kann die Beimischung marktneutraler Strategien (in Form von entsprechenden Publikumsfonds oder ETFs) entscheidend zur Diversifikation des Portfolios beitragen. Die Strategien können auf diese Weise helfen, Portfolioerträge zu stabilisieren.
Allerdings sollten sich Ihre Kundinnen und Kunden bewusst sein, dass auch eine marktneutrale Strategie keine Garantie für konstante und konstant positive Erträge ist. Zudem sollten die langfristigen Renditeerwartungen nicht zu hoch angesiedelt werden. Denn die Marktrendite – als langfristig höchstwirksamer Renditefaktor, auf den die wenigsten langfristig verzichten können – ist diesen Strategien nicht zugänglich.
Dieser Beitrag kann weiterverwendet werden: Rücksprache mit fil-marketinggermanypia@fil.com erforderlich.
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